Freitag, 15. August 2014

Freizeitliteratur: Die halbe Stadt, die es nicht mehr gibt


Nüchtern betrachtet schon eine absurde Vorstellung: Man hat eine Stadt, teilt sie und baut um einen Teil eine Mauer herum. Als ob das nicht an sich schon kurios genug ist, entwickelt sich das Leben in diesem Archipel vollkommen getrennt von dem ihn umgebenden Umland – Eine vollkommen andere Welt, sozusagen. Wie lebt es sich dort? Was für teils skurrile Begebenheiten ergeben sich durch diese Besonderheit? Was sind das für Menschen dort und was bewegt sie so? Die Autorin, aufgewachsen in Berlin (West), gewährt Einblick...


Das Buch „Die halbe Stadt, die es nicht mehr gibt – Eine Kindheit in Berlin (West)“, der Autorin Ulrike Sterblich, gibt Einblick in den Alltag, umgeben von einer Welt, in der es schon zum Politikum wird, ob es nun Berlin, Berlin (West) oder Westberlin heißt, ob man S-Bahn fährt oder doch lieber U-Bahn, was es heißt, wenn es heißt „Letzter Bahnhof...“.
Erzählt aus der Sicht eines Kindes und einer Jugendlichen, rückblickend reflektiert, führt uns die Autorin durch eine Welt, in der bestimmte Kuriositäten zum Alltag gehören. Erst der Blick von Außen, sei es durch Besucher oder mit gewissem eigenen Abstand, zeigt diese Besonderheiten auf.
Neben den ganz alltäglichen Dingen, die ein Kind oder eine Jugendliche so beschäftigen, erscheinen immer wieder Dinge, die teilweise absurd, manchmal erheiternd, auf jeden Fall aber interessant erzählt sind, abseits der großen Politik und doch mittendrin. Vieles wurde von vielen Leuten über diese Stadt geschrieben, aber hier haben wir aus erster Hand, was es hieß, seine Kindheit und Jugend zu verbringen, inmitten einer historischen Posse, von kafkaesken Zügen. Immer einen Blick auf die liebenswerten Besonderheiten dieser Stadt gerichtet, beschreibt uns die Autorin wie man zur Schule gegangen ist, seine Freizeit verbracht hat, sich verabredet hat – kurz wie man lebte, seinerzeit. Am Ende eines jeden Kapitels, als besonderes Gimmick, werden bestimmte Besonderheiten aus dem Kapitel nocheinmal kurz erläutert. Aber ich will nicht zu viel verraten, nur so viel, dass das Buch durchaus lesenswert ist und auch wenn es nicht den Anspruch erhebt ein zeitgeschichtlich bedeutsames Werk zu sein, ist es das ja doch irgendwie. Wie schreibt die Autorin? „In diesem Buch ist vieles erinnert und vieles erfunden.“ - Lesenswert ist es auf jeden Fall.

Die halbe Stadt, die es nicht mehr gibt – Eine Kindheit in Berlin (West), Reinbek, 2012, ISBN 978-3-499-62840-5

Mittwoch, 13. August 2014

Abenteuerliteratur: Ein Kapitän von 15 Jahren


Ich habe mir einmal ein weniger bekanntes Werk eines meiner Lieblingsautoren vorgenommen – „Ein Kapitän von fünfzehn Jahren“, von Jules Verne. Durchaus ein lesenswertes Buch.


 
Kurz zum Inhalt des Buches: Der fünfzehnjährige Dick Sand, ein Waisenjunge aus New York, ist Leichtmatrose auf der Schonerbrigg „Pilgrim“, einem Walfangschiff, unter Kapitän Hull. Die bisherige Walfangfahrt der „Pilgrim“ war wenig erfolgreich und der Kapitän beschließt, dass die Besatzung, die zusätzlich zur Stammbesatzung, zu welcher auch Dick Sand und der ominöse portugisische Schiffskoch Negoro gehören, angeheuert wurde schuld an der wenig erfolgreichen Waljagd ist und läßt sie abmustern, um den Weg zurück in den Heimathafen San Francisco anzutreten.
Mrs. Weldon, die resolute Ehefrau des Reeders, in dessem Auftrag die „Pilgrim“ segelt, beschließt zusammen mit ihrem kleinen Sohn Jack, dem afroamerikanischen Kindermädchen Nan und Vetter Benedict, einem schrulligen Insektenforscher, auf der Schonerbrigg die Überfahrt in die Staaten anzutreten. Auf der Fahrt entdeckt die Besatzung der „Pilgrim“ ein treibendes Schiffswrack mit dem Namen „Waldeck“, von dem die Überlebenden Afroamerikaner Herkules, Tom, Bat, Austin und Acteon sowie ein großer Hund namens Dingo, im letzten Augenblick, gerettet werden können. Während der weiteren Überfahrt entdeckt man einen Wal und die Besatzung, bestehend aus Kapitän Hull und fünf weiteren Besatzungsmitgliedern, beschließt ihr Glück zu versuchen und das bisher wenig erfolgreiche Fangergebnis etwas aufzubessern. Dick Sand kommt dabei die Aufgabe zu, während der Abwesenheit des Kapitäns die Wache auf der Schonerbrigg zu übernehmen.
Während der Walfangjagd, mit einem der Beiboote der „Pilgrim“, kommt es zu einem tragischen Unfall, bei dem alle Beteiligten umkommen. Auf der Schonerbrigg bleiben nun nur die Passagiere, Dick Sand und der Schiffskoch Negoro zurück. Man beschließt, dass nun Dick Sand das Schiff führen soll, gegen den Widerstand des Schiffskochs Negoro, dem am Bord allerdings niemand so recht über den Weg traut. Besonders der große Hund Dingo scheint den Schiffskoch zu hassen, da dieser nur mit Mühe davon abzubringen ist, Negoro zu zerfleischen, wenn er dessen gewahr wird. Dingos Hass gegenüber Negoro klärt sich erst am Ende des Buches restlos auf.
Dick Sand beschließt den Heimathafen anzusteuern, oder zumindest die amerikanische Küste, da seine Navigationskenntnisse noch recht dürftig sind. Das Schiff gerät in einen Sturm und als ob das nicht schon schlimm genug ist, geht noch der Kompass, der zur Kontrolle in der Kapitänskajüte angebracht ist, kaputt und das Logseil reißt. Nun hat Dick Sand nur noch die Möglichkeit mit Hilfe des Steuerkompasses zu navigieren. An einem Abend können Dick Sand und der kräftige Herkules den Schiffskoch Negoro stellen, der sich scheinbar am Kompass zu schaffen machen will.
Nach einer turbulenten Fahrt strandet die „Pilgrim“ an einer Küste, von der man allgemein hofft, dass es ein Teil der langen amerikanischen Küste ist. Die Schonerbrigg wird aufgegeben und man sucht in einer Höhle, die in einer Art Lagune liegt Zuflucht. Beim Erkunden der Küste trifft man auf den, sehr britisch wirkenden, Amerikaner Harris. Dieser erklärt den Gestrandeten, dass man sich an der bolivianischen Küste befände und erklärt sich bereit, die Schiffbrüchigen zu einer Hazienda im Landesinneren zu führen. Negoro hat sich von den Übrigen getrennt und ist nicht mehr aufzufinden. Man beschließt Harris zu folgen, aber irgendwas stimmt nicht mit dem Mann und an dem Land...

Das Buch ist sehr spannend geschrieben und die Kapitel so aufgebaut, dass man, wenn man das obligatorische „Nur noch das Kapitel zu Ende...“ erfolgreich gemeistert hat, gerne wieder zu dem Buch greift, weil man wissen will wie es weiter geht. Außerdem regt das Buch dazu an, sich aus Sekundärquellen, über Einzelheiten, zu informieren. Die Charaktrere sind glaubhaft beschrieben und man baut unweigerlich eine Beziehung zu ihnen auf. Thematisiert wird auch das dunkle Kapitel der Menschenjagd und des Sklavenhandels in Afrika.
Nur zum Ende hin wirkt das Buch bedauerlicherweise etwas gehetzt, als ob der Autor ein wenig die Lust an der eigenen Geschichte verloren hat. Bis zu dem Kapitel, wo Negoro und Harris sich treffen und miteinander reden, wo Harris auch gewisse Sympathien gegenüber dem jungen Dick Sand durchblicken läßt, ist alles bestens. Spätestens allerdings ab dem Moment, wo die Schiffbrüchigen von den Sklavenhändlern überwältigt werden, glänzt die Geschichte nur noch mit einigen eingewobenen Höhepunkten und wirkt ansonsten recht fade, wie auch das Ende des Buches.